Rechtsprechung

VG Neustadt: Nichtvorlage eines MPU-Gutachtens nach Fahrradfahrt mit 1,73?

Rechtfertigt Fahrerlaubnisentzug und Radfahrverbot

Bringt ein Fahrerlaubnisinhaber nach einer Trunkenheitsfahrt mit dem Fahrrad bei einer Blutalkoholkonzentration (BAK) von 1,6‰ oder mehr (hier: 1,73‰) ein von der Fahrerlaubnisbehörde angefordertes medizinisch-psychologisches Gutachten nicht (fristgerecht) bei, darf die Behörde auf seine mangelnde Fahreignung schließen und die Fahrerlaubnis entziehen sowie das Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge verbieten. Dies hat das Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße mit Beschluss vom 08.08.2014 in einem Eilverfahren entschieden (Az.: 3 L 636/14.NW).

Nach Trunkenheitsfahrt mit Fahrrad Fahrerlaubnis entzogen

Der Antragsteller geriet nach dem Besuch eines Festes im Nachbarort gegen 23.30 Uhr mit seinem Fahrrad ohne Licht auf einer öffentlichen Straße in eine Verkehrskontrolle der Polizei. Die anschließende Blutalkoholuntersuchung ergab einen Wert von 1,73‰. Das Amtsgericht Speyer verurteilte den Antragsteller deshalb wegen fahrlässiger Trunkenheit im Straßenverkehr zu einer Geldstrafe von 1.000 Euro. Nachdem die Fahrerlaubnisbehörde von der Verurteilung erfahren hatte, forderte sie den Antragsteller auf, innerhalb von zwei Monaten ein medizinisch-psychologisches Gutachten zur Frage seiner Fahreignung vorzulegen. Da der Antragsteller das Gutachten in der Folgezeit nicht beibrachte, entzog ihm der Antragsgegner unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die Fahrerlaubnis und untersagte ihm das Fahren von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen (Fahrrad und Mofa). Der Antragsteller legte dagegen Widerspruch ein und beantragte Eilrechtsschutz.
VG: Entziehung der Fahrerlaubnis offensichtlich rechtmäßig

Das VG hat den Eilantrag abgelehnt. Die für sofort vollziehbar erklärte Entziehung der Fahrerlaubnis sei offensichtlich rechtmäßig. Da sich der Antragsteller geweigert habe, das medizinisch-psychologische Gutachten fristgerecht beizubringen, habe die Fahrerlaubnisbehörde gemäß § 11 Abs. 8 FeV auf seine Nichteignung schließen dürfen. Die Anordnung zur Beibringung des Gutachtens sei rechtmäßig gewesen. Gemäß § 13 Satz 1 Nr. 2 lit. c FeV müsse die Behörde ein solches Gutachten anfordern, wenn ein Fahrzeug im Straßenverkehr mit einer BAK von 1,6‰ oder mehr geführt worden sei. Hier sei der Antragsteller mit einer BAK von 1,73‰ auf einer Straße Fahrrad gefahren. Auch ein Fahrrad sei ein Fahrzeug im Sinne der FeV. Die Teilnahme am Straßenverkehr in erheblich alkoholisiertem Zustand stelle mit jedem Fahrzeug eine erhebliche Gefahr für die Sicherheit des Straßenverkehrs dar.
Gefahren für andere Verkehrsteilnehmer überwiegen berufliche Interessen des Antragstellers

Die gesetzte Frist von zwei Monaten sei ausreichend bemessen gewesen, so das VG weiter. Es bestehe auch ein besonderes Interesse an der sofortigen Vollziehung der Fahrerlaubnisentziehung. Denn Gefahren, die von ungeeigneten Kraftfahrern für andere Verkehrsteilnehmer und sich selbst ausgingen, könnten nicht länger hingenommen werden. Es sei daher unerheblich, dass der Antragsteller nach eigenen Angaben aus beruflichen Gründen dringend auf die Fahrerlaubnis angewiesen sei und er mit Ausnahme des einen Vorfalls immer unbeanstandet am Straßenverkehr teilgenommen habe.
Verbot des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge ebenfalls offensichtlich rechtmäßig

Auch die angeordnete Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge erachtet das VG für offensichtlich rechtmäßig. Das Führen von Fahrzeugen sei zu untersagen oder zu beschränken, wenn jemand sich als ungeeignet oder nur noch bedingt geeignet hierzu erweise. Dies sei hier der Fall. Das Fahrradfahren im Straßenverkehr mit einer BAK von 1,6‰ oder mehr führe zur absoluten Fahruntüchtigkeit für fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge. Zur Klärung der Eignungszweifel habe der Antragsgegner von dem Antragsteller daher zu Recht ein medizinisch-psychologisches Gutachten fordern können. Da dieses nicht fristgerecht beigebracht worden sei, habe der Antragsgegner auch hier auf die Nichteignung des Antragstellers schließen können.Verbot demnach  verhältnismäßig

BundesverwG vom 6. April 2017

Neuerteilung der Fahrerlaubnis nach Trunkenheitsfahrt mit weniger als 1,6 Promille darf nicht von vorheriger MPU abhängig gemacht werden

Der Auffassung, dass die Fahrerlaubnis nach strafgerichtlicher Entziehung wegen einer Trunkenheitsfahrt nur nach Beibringung eines medizinisch- psychologischen Gutachtens neu erteilt werden dürfe,
ist es nicht gefolgt. Nach § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV rechtfertigt eine einmalige Trunkenheitsfahrt ohne das Hinzutreten weiterer aussagekräftiger Tatsachen erst ab einer BAK von 1,6 Promille die
Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens. Die strafgerichtliche Entziehung einer Fahrerlaubnis wegen einer Trunkenheitsfahrt ist – wie die Bezugnahme in § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d FeV
auf die unter den Buchstaben a bis c genannten Gründe zeigt – kein eigenständiger, von der 1,6 Promille-Grenze unabhängiger Sachgrund für die Anforderung eines Gutachtens. Im Strafverfahren ist der Täter
bei einer Trunkenheit im Verkehr (§ 316 StGB) „in der Regel“, also ohne das Hinzutreten weiterer belastender Tatsachen, als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen (§ 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB).

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